Politik von unten: Protest – Aktivismus – RevolutionDas Polit-Film-Festival widmet sich dieses Jahr ausschließlich Dokumentarfilmen, die ein breites Spektrum gegenwärtiger und historischer Formen des Protests, des zivilen Ungehorsams, des politischen Aktivismus sowie revolutionärer Bewegungen abdecken.Durch die Filme soll beispielhaft aufgezeigt werden, wie „Politik von unten“, d.h. zivilgesellschaftliches Engagement samt möglichen Veränderungsprozessen funktionieren kann. Das Programm bezieht möglichst viele Länder und gesellschaftliche Konflikte bzw. Protestformen mit ein: vom Kampf gegen den Kapitalismus über das Engagement für einen respektvollen Umgang mit der Natur bis hin zu den afrikanischen Befreiungsbewegungen gegen die europäische Kolonialherrschaft. Das, wofür bzw. wogegen gekämpft wird; der Preis, der für den Widerstand bezahlt werden muss, sowie die Mittel des Protests variieren je nach politischem und sozialem Kontext. Die aktuelle Festivalausgabe weist darauf hin, wie bedeutsam Protestbewegungen für die Entwicklung und das Fortbestehen demokratischer Gesellschaften sind – und macht deutlich, dass Politik nicht nur von Parteien sowie Akteur_innen aus Wirtschaft und Medien gemacht wird: Jede_r Einzelne kann aktiv werden, politisch partizipieren und auf gesellschaftliche Strukturen einwirken. |
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19:00 - THE YES MEN ARE REVOLTING
Das weltbekannte Protest-Duo The Yes Men alias Andy Bichlbaum und Mike Bonanno inszeniert
seit nahezu zwei Jahrzehnten ebenso provokante wie humorvolle satirische Aktionen, um auf
den Klimawandel und andere politische Missstände aufmerksam zu machen. Medienwirksam
geben sie sich als Vertreter von Konzernen, Lobbyverbänden und politischen Organisationen
aus und kündigen vermeintliche Kurswechsel an. In ihrem bereits dritten Film THE YES MEN
ARE REVOLTING nehmen sie es mit Kanadas Umweltministerium, der US-Handelskammer
und Mineralölkonzernen wie Gazprom und Shell auf. Sie gelangen dabei an ihre persönlichen
Grenzen: Privatleben und der Kampf gegen den Kapitalismus lassen sich nicht immer so einfach
miteinander vereinbaren; zudem gesellen sich zu den gelungenen Aktionen auch mehr und
mehr gescheiterte. Deshalb stellen sich die beiden zunehmend die Frage nach der Sinnhaftigkeit
ihres Aktivismus – um am Ende alles andere als zu resignieren. |
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17:00 - PROJEKT A – Eine Reise zu anarchistischen* Projekten in Europa
Protest kann sich auch im Entwurf und in der Verwirklichung neuer, solidarischer, nichtkapitalistischer
Strukturen sozial-ökonomischen Lebens äußern: In ihrem durch Crowdfunding finanzierten
Film machen sich Moritz Springer und Marcel Seehuber auf die Suche nach Menschen
und Projekten, die entlang anarchistischer Ideen genau diesen Versuch wagen. Im alternativen,
studentischen Stadtteil Exarchia in Athen beispielsweise hat eine Bürger_inneninitiative einen
Parkplatz besetzt und zu einem selbstorganisierten, öffentlichen Park umgestaltet. Die Cooperative
Integral Catalana in Barcelona hat ein eigenes Währungssystem entwickelt und gar eine
gesamtgesellschaftliche Transformation zum Ziel. Die Münchner Genossenschaft „Kartoffelkombinat“,
die sich selbst nicht als anarchistisch bezeichnet, setzt auf gemeinwohlorientierte,
autonom verwaltete Lebensmittelversorgung. PROJEKT A zeigt, dass Anarchie weder Chaos
bedeutet noch eine Utopie bleiben muss: Zumindest innerhalb eines abgesteckten Rahmens
kann die Freiheit von Herrschaft funktionieren. 20:00 - HOW TO CHANGE THE WORLD
1971 segelte eine Gruppe von Hippies, Journalist_innen und Friedensaktivist_innen aus
Vancouver mit einem heruntergekommenen Fischkutter vor die Küste Alaskas, um dort US-amerikanische
Atombombenversuche zu verhindern. So nahm die Geschichte der bekanntesten
Umweltschutzorganisation der Welt, Greenpeace, ihren Lauf. Doch ohne die Weltöffentlichkeit
als Zeugin waren Aktionen wie diese wertlos. Von Anfang an setzten die Aktivist_innen deshalb
auf die Macht der medial vermittelten Bilder, die „mind bombs“, wie Gründer Bob Hunter sie
nannte – Aufnahmen, die sich in den Köpfen der Menschen festsetzen und so zu einer Bewusstseinsveränderung
beitragen sollten. Regisseur Jerry Rothwell bedient sich in HOW TO CHANGE
THE WORLD einer Fülle von bisher unveröffentlichtem, beeindruckendem Archivmaterial, lässt
die ehemaligen Aktivist_innen zu Wort kommen, greift auf Tagebucheintragungen sowie Animationen
zurück. Auch interne Auseinandersetzungen über die gemeinsamen Mittel und Ziele des
Protests sowie die „Schattenseiten“ des Erfolgs, als Ende der 70er Jahre Greenpeace International
gegründet wird, kommen zur Sprache. |
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17:00 - AUF DEN BAROCKADEN
Im Jahr 2007 wurde das Vorhaben ausgerufen, eine private Konzerthalle in der ältesten barocken
Gartenanlage Wiens zu bauen. Bald darauf regte sich ein erster Aufschrei der Bürger_innen und
bereits im Jahr 2008 begann Doris Kittler die höchst kreative Gegeninitiative – das Josefinische
Erlustigungskomitee – für die kommenden sechs Jahre nicht nur mit der Kamera zu begleiten.
Die Verbauung des Augartenspitzes sowie die daraus resultierenden Proteste können als
weltweite Beispiele für wirtschafts- und machtpolitische Mechanismen auf der einen Seite
und engagierte Widerstandbewegungen auf der anderen Seite gelesen werden. Ob also der
Augarten in Wien, die Kalkkögel in Tirol oder der Gezi-Park in Istanbul, die Prinzipien bleiben
meist dieselben. 20:00 - UNE JEUNESSE ALLEMANDE
Für seinen Film UNE JEUNESSE ALLEMANDE montierte Jean-Gabriel Périot Archivaufnahmen aus
den Jahren 1965 bis 1977 gänzlich ohne Off-Kommentar zu einem spannenden Dokument über
die Geschichte der RAF. Ausgehend von den Student_innenprotesten und dem Aufbegehren der
Nachkriegsgeneration zeichnet das Werk die Gründungszeit der Roten Armee Fraktion bis hin zur
Radikalisierung und ihren gewaltsamen Stadtguerilla-Aktionen nach. Auch die gesellschaftlichen
Reaktionen auf den Terror der linksextremistischen Vereinigung werden hier nicht ausgespart und
machen das Langfilm-Debüt des französischen Regisseurs zu einem sehenswerten Zeugnis der
damaligen Zeit. UNE JEUNESSE ALLEMANDE collagiert die damalige mediale Berichterstattung,
zitiert kritische Filmemacher wie Rainer Werner Fassbinder oder Michelangelo Antonioni und
zeigt rares Filmmaterial von und mit Holger Meins, Ulrike Meinhof u.a. |
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17:00 - IO STO CON LA SPOSA
Der italienische Journalist und Aktivist Gabriele del Grande, der palästinensische Dichter
Khaled Soliman al Nassiry und der Filmemacher Antonio Augugliaro lernen den syrischen
Flüchtling Abdullah kennen, der ein paar Wochen zuvor ein schweres Bootsunglück vor Lampedusa
überlebt hat. Abdullahs Wunschziel ist Schweden – angesichts der EU-Asylpolitik kein
leichtes Unterfangen. Doch die drei Männer haben eine Idee: Getarnt als Hochzeitsgesellschaft,
mit der Unterstützung von Freund_innen, schmuggeln sie Abdullah und vier weitere Flüchtlinge
quer durch Europa. Auf ihrer abenteuerlichen, riskanten Reise von Mailand nach Stockholm legen
sie 3000 Kilometer durch insgesamt fünf Länder zurück – zu Fuß, mit festlich geschmückten
Autos, mit dem Zug. Die Gruppe rund um Gabriele handelt zwar nicht legal, aber legitim: Das
außergewöhnliche Roadmovie IO STO CON LA SPOSA, das diesen Akt zivilen Ungehorsams
dokumentiert, ist ein Manifest gegen die Abschottungspolitik der Festung Europa, die bereits
tausende Todesopfer gefordert hat. 20:00 - JE SUIS FEMEN
Die charismatische Oxana Shachko begeistert sich für Ikonenmalerei, als Jugendliche wollte
sie in ein Kloster eintreten. 2008 gründet sie gemeinsam mit Anna Hutsol und Alexandra
Shevchenko die umstrittene Gruppe FEMEN, die sich dem Kampf für Meinungsfreiheit und
Gleichberechtigung sowie gegen patriarchale, korrupte Verhältnisse in ihrer ukrainischen
Heimat verschrieben hat. Oxana verwendet ihr künstlerisches Talent nun auf die Herstellung
von Masken, Transparenten und Kostümen für die Auftritte der Feministinnen. Ihre provokante
Idee, die Aktivistinnen mit entblößten Brüsten auftreten zu lassen und so den Körper als friedliche
„Waffe“ einzusetzen, sorgt für große Aufmerksamkeit und wird fortan zum Markenzeichen
von FEMEN. |
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17:00 - CONCERNING VIOLENCE - Nine scenes from the anti-imperialistic self-defence
Der Filmemacher Göran Hugo Olsson montiert aus raren Aufnahmen, die den schwedischen
Fernseharchiven entnommen sind, eine gewaltige Geschichte der afrikanischen Freiheitskämpfe
in den 1960er, 70er und 80er Jahren. Die Bilder werden mit Texten aus Frantz Fanons Hauptwerk
„Die Verdammten dieser Erde“ untermauert. Die Musikerin und Schauspielerin Lauryn
Hill, welche als Mitglied der Fugees durch ihre Rap- und Gesangsparts bekannt wurde, holt die
Texte des Vordenkers der Dekolonialisierung durch ihre kraftvolle und rhythmische Rezitation
in die Gegenwart. Der Film porträtiert nicht nur die emanzipatorischen afrikanischen Gegenbewegungen,
sondern entlarvt auch sehr deutlich die Unreflektiertheit und den erbarmungslosen
Rassismus der europäischen Kolonialist_innen. 20:00 - MAIDAN
Regisseur Sergei Loznitsa hat von November 2013 bis Februar 2014 die Geschehnisse rund
um den Kiewer Unabhängigkeitsplatz begleitet, als ukrainische Bürger_innen gegen die
korrupte Janukowytch-Regierung aufbegehrten und schließlich deren Sturz herbeiführten.
Während sich der revolutionäre Protest zunächst durch friedliche Kundgebungen auszeichnet,
kommt es im zweiten Teil zu einem Bruch und blutigen Straßenkämpfen zwischen
Demonstrant_innen und Polizei. Loznitsa widersetzt sich den gängigen Genrekonventionen
und kommt in seinem formal herausfordernden Film MAIDAN ohne Interviews und Off-Kommentare
aus. Mit distanzierter, statischer Kamera entwirft er monumentale, intensive Bilder,
die die Menschenmassen etwa beim Singen von Hymnen oder bei der Versorgung mit Essen
porträtieren. Durch den auffallend häufigen Einsatz der Totalen obliegt es den Zuseher_innen
selbst, wohin sie ihre Blicke schweifen lassen. |
Schulvorstellungen
Nach Maßgabe der verfügbaren Plätze sind auch für die regulären Vorstellungen ermäßigte Tickets für Schüler_innengruppen erhältlich. WorkshopsFür den Zeitraum von 9. bis 20. November können zu den drei oben genannten Filmen inhaltlich vorbereitende Workshops gebucht werden. Diese werden von Sarah Ertl und Alejandro Boucabeille jeweils im Rahmen einer Unterrichtsstunde kostenlos an Ihrer Schule durchgeführt.Anmeldung und nähere Informationen zu den Schulvorstellungen sowie den begleitenden Workshops unter: schule@polit-film-festival.at. |